Mitbestimmung in personellen Einzelmaßnahmen

Waghma Kopp
Waghma Kopp
Rechtsanwältin

Die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen ist mit Sicherheit die in der Praxis bekannteste Form der Mitbestimmung. Hierunter fällt neben der Einstellung und Versetzung insbesondere die Kündigung von Arbeitnehmern. Im Gegensatz zur Mitbestimmung bei sozialen Angelegenheiten ist die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen jedoch für den Betriebsrat geringer ausgestaltet. Zudem müssen im Unternehmen mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sein, damit überhaupt ein Mitbestimmungsrecht entsteht.

Mitbestimmung bei Einstellung, Versetzung, Ein- und Umgruppierung

Der Arbeitgeber benötigt bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG zwar der Zustimmung des Betriebsrats, dieser darf sie aber nur bei Vorliegen bestimmter, im Gesetz abschließend aufgeführter Gründe verweigern (§ 99 Abs. 2 BetrVG).

Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat vor jeder Einstellung, Versetzung, Ein- und Umgruppierung den Betriebsrat zu unterrichten, die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben. Der Arbeitgeber hat bei der Einstellung und der Versetzung auch den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen.

Für den Fall der Einstellung bedeutet dies u.a. auch die Vorlage sämtlicher Unterlagen aller, auch der nicht ausgewählten Bewerber. Dies soll eine Überprüfung der Vorauswahl ermöglichen. Nicht verlangen kann der Betriebsrat dagegen die Teilnahme an Einstellungsgesprächen oder die Vorlage des Arbeitsvertrags.

Reaktionsmöglichkeiten des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat nach der Unterrichtung durch den Arbeitgeber über eine beabsichtigte Maßnahme folgende Reaktionsmöglichkeiten:

  1. Der Betriebsrat kann ausdrücklich seine Zustimmung erteilen.
  2. Der Betriebsrat braucht sich überhaupt nicht äußern. In diesem Fall gilt seine Zustimmung nach Ablauf einer Woche seit Unterrichtung durch den Arbeitgeber als erteilt (§ 99 Abs. 3 Satz 2 BertVG).
  3. Der Betriebsrat kann Bedenken anmelden oder aus allen denkbaren Gründen widersprechen. Bedeutsam ist die Verweigerung der Zustimmung aber nur aus den in Absatz 2 genannten Gründen.

Da die Zustimmungsverweigerungsgründe im Gesetz eindeutig abschließend festgeschrieben sind, spricht man hier von einer sog. „gebundenen Mitbestimmung“. Bei einer solchen „gebundenen Mitbestimmung“ ersetzt nicht die Einigungsstelle eine evtl. fehlende Einigung, sondern das Arbeitsgericht entscheidet im Beschlussverfahren über den Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung (§ 99 Abs. 4 BetrVG).

Vorläufige personelle Maßnahmen

In bestimmten Fällen kann der Arbeitgeber personelle Einzelmaßnahmen auch bereits durchführen bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat (§ 100 BetrVG), vorausgesetzt dies ist aus sachlichen Gründen dringend geboten.

Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ein plötzlich ausgeschiedener Beschäftigter kurzfristig ersetzt werden muss oder ein erhöhter Auftragseingang und damit auch ein erhöhter Personalbedarf besteht.

In diesen Fällen hat der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich über die Sachlage und die vorläufige Maßnahme zu informieren. Dieser kann der vorläufigen Maßnahme widersprechen, wenn er der Ansicht ist, dass diese nicht dringend erforderlich ist. Dieser Widerspruch darf nicht mit dem Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 BetrVG verwechselt werden.

Hat der Betriebsrat widersprochen, kann der Arbeitgeber die vorläufige Maßnahme nur durchführen, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur endgültigen Durchführung und die Feststellung beantragt, dass die vorläufige Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Ersetzt das Gericht die endgültige Zustimmung des Betriebsrats, kann der Arbeitgeber die Maßnahme durchführen. Lehnt das Gericht die Zustimmungsersetzung dagegen endgültig ab, endet die vorläufige Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung.

Mitbestimmung bei Kündigungen

Kernvorschrift bei der Kündigung von Arbeitnehmern ist § 102 BetrVG. Er ergänzt den allgemeinen Kündigungsschutz und wird auch nicht von einer Mindestbeschäftigtenzahl abhängig gemacht, so dass auch Kleinbetriebe diese Vorschrift berücksichtigen müssen.

Anhörung des Betriebsrats

Nach § 102 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Eine Kündigung die ohne die erforderliche Anhörung ausgesprochen wird ist grds. unzulässig. Sie kann auch nicht durch Nachholung geheilt werden. Wie sich der Betriebsrat zu der geplanten Kündigung äußert ist unerheblich. Er hat kein echtes Mitbestimmungsrecht, sondern lediglich ein Anhörungsrecht. Der Arbeitgeber darf die Kündigung also auch bei Verweigerung der Zustimmung aussprechen.

Das Anhörungserfordernis gilt für jede Form der Kündigung, also auch für Änderungskündigungen.

Inhalt der Anhörung

Das Gesetz verlangt eine ordnungsgemäße Anhörung. Dem Betriebsrat sind alle Gründe die für die Entscheidung wesentlich sind mitzuteilen. Dabei sind folgende Angaben erforderlich:

  • Person des Betroffenen
  • Art der Kündigung (ordentlich/außerordentlich)
  • Kündigungsfrist
  • Voraussichtlicher Kündigungstermin
  • Gründe für die Kündigung

In einem eventuell nachfolgenden Kündigungsschutzprozess ist der Arbeitgeber an die vorgebrachten Gründe ggü. dem Betriebsrat gebunden. Das Nachschieben von neuen Gründen ist nicht möglich. Dies wird vor allem bei Verdachts- und Tatkündigungen bedeutsam. Die Kündigung wegen einer erwiesenen Straftat ist etwas anderes als die Kündigung wegen des bloßen Verdachts, die der Arbeitgeber hinterher schieben will, weil der Vorwurf später doch nicht bewiesen werden kann. Dann wäre die Verdachtskündigung allein schon wegen der fehlenden Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

Die gleiche Problematik kommt auch oft vor, wenn der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ausspricht, im Prozess aber später hilfsweise ordentlich kündigt. Eine Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung ist später nur möglich, wenn der Betriebsrat zu beiden Kündigungsarten angehört wurde.

Stellungnahme des Betriebsrats

Hat der Betriebsrat gegen die Kündigung Bedenken, so hat er diese dem Arbeitgeber bei einer ordentlichen Kündigung innerhalb einer Woche und bei einer außerordentlichen Kündigung innerhalb von drei Tagen schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieses Zeitraums nicht, so gilt seine Zustimmung als erteilt. Bei einer außerordentlichen Kündigung kommt noch dazu, dass der Betriebsrat den betroffenen Arbeitnehmer ebenfalls noch anhören soll.

Widerspruch des Betriebsrats

Während die Stellungnahme zur beabsichtigten Kündigung den Arbeitgeber im besten Fall noch umstimmen soll, hat der Widerspruch des Betriebsrats tatsächliche Auswirkungen auf den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers und den Weiterbeschäftigungsanspruch während des möglicherweise nachfolgenden Kündigungsschutzprozesses. Die Gründe aus denen der Betriebsrat der Kündigung widersprechen kann, sind abschließend formuliert und stehen dem Betriebsrat nur im Falle einer ordentlichen Kündigung zu. Der Betriebsrat muss seinen Widerspruch innerhalb einer Woche ggü. dem Arbeitgeber erklären. Bei folgenden Gründen darf der Betriebsrat unter Heranziehen eines konkreten Sachverhaltes (niemals nur pauschal) widersprechen (§ 102 Abs. 3 BetrVG):

  1. der Arbeitgeber hat bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers bestimmte soziale Gesichtspunkte nicht berücksichtigt (z.B. die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder bestehende Unterhaltspflichten),
  2. die Kündigung verstößt gegen eine Auswahlrichtlinie,
  3. der ausgewählte Arbeitnehmer könnte an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens weiterbeschäftigt werden (setzt einen freien Arbeitsplatz voraus),
  4. eine Weiterbeschäftigung wäre nach einer zumutbaren Umschulung- oder Fortbildungsmaßnahme möglich,
  5. eine Weiterbeschäftigung wäre unter geänderten Vertragsbedingungen möglich und der Arbeitnehmer ist damit einverstanden. Eine Änderungskündigung ist damit immer vorrangig zu prüfen.

Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers

Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung ordnungsgemäß widersprochen und legt der betroffene Arbeitnehmer fristgerecht Kündigungsschutzklage ein, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Dieser betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch lässt das Arbeitsverhältnis unberührt weiter bestehen unabhängig davon, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist oder nicht.