Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Waghma Kopp
Waghma Kopp
Rechtsanwältin

Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ist für den Betriebsrat das wichtigste Instrument um auf die wesentlichen Fragen im Betrieb Einfluss nehmen zu können. Sie schränkt das Direktionsrecht des Arbeitgebers ungemein ein. § 87 BetrVG enthält einen abschließenden Katalog sozialer Angelegenheiten in denen der Betriebsrat zwingend mitbestimmt. Je nach Art der betrieblichen Maßnahme können ein oder auch gleich mehrere Tatbestände gleichzeitig erfüllt sein.

Unterlassungsanspruch und Initiativrecht

Bei den sozialen Angelegenheiten handelt es um die schärfste Form der Mitbestimmung, nämlich der erzwingbaren Mitbestimmung. Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber also Regelungen vorschlagen und auf Verhandlungen drängen. Sperrt sich der Arbeitgeber, kann der Betriebsrat eine Einigungsstelle anrufen.

Nr. 1 Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb:

Beispiele für mitbestimmungspflichtige Regelungen zur Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer sind z.B. die:

  • Einführung eines Rauch- und Alkoholverbot im Betrieb
  • Einführung eines Unternehmensausweises
  • Telefon- und Parkplatznutzung
  • Vorschriften über das Betreten und Verlassen des Betriebs
  • Festlegung, dass nicht mehr deutsch sondern englisch Unternehmenssprache ist

Mitbestimmungsfrei sind dagegen Verschwiegenheitsvereinbarungen, die mit jedem Arbeitnehmer einzeln getroffen werden. Ebenso das Aufstellen von Dienstreiseanordnungen und auch die Erteilung einer Abmahnung sind mitbestimmungsfrei.

Regeln über das Ordnungsverhalten werden regelmäßig in Betriebsvereinbarungen geregelt um eine zwingende Wirkung für alle Arbeitsverhältnisse zu erzielen. Auf diese Weise kann z.B. ein Rauchverbot für die gesamte Belegschaft eingeführt werden auch ohne dass es Gegenstand eines jeden Arbeitsvertrags werden muss.

Nr. 2 Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit:

Dazu gehören u. a. auch die Einführung der gleitenden Arbeitszeit, Teilzeit oder von flexibler Arbeitszeit, die Einführung oder der Abbau von Schichtarbeit, Erholungszeiten bei Akkordarbeit, Einführung von Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst.

Die Dauer der Arbeitszeit wird dagegen nicht von dieser Regelung erfasst.

Nr. 3 Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit:

Im Gegensatz zu Nr. 2 ist hier die Dauer der Arbeitszeit mitbestimmungspflichtig. Dazu zählen u. a. die Einführung von Kurzarbeit und die Anordnung von Überstunden für den Betrieb oder für einzelne Betriebsabteilungen.

Davon unberührt bleiben individuelle Vereinbarungen des Arbeitgebers mit einzelnen Arbeitnehmern in der die vorrübergehende Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit vereinbart wird.

Nr. 4 Auszahlung des Arbeitsentgelts:

Der Betriebsrat bestimmt mit u. a. bei Festlegung der Auszahlungszeit, des Auszahlungszeitraums (Wochen-, Monatslohn), ob das Arbeitsentgelt im Voraus oder nachträglich zu zahlen ist und ob es bar oder bargeldlos zu zahlen ist.

Nicht dazu zählt die Vereinbarung über ein Lohnabtretungsverbot.

Nr. 5 Fragen des Urlaubs:

Diese Nummer beinhaltet drei Fallkonstellationen:

  • die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze
  • die Aufstellung des Urlaubsplans
  • die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern keine Einigung erzielt wird.

Mit „allgemeinen Urlaubsgrundsätzen“ sind die betrieblichen Richtlinien gemeint, nach denen der Urlaub gewährt werden soll (z. B. nur innerhalb bestimmter Monate, Betriebsferien, Urlaubssperre, Rücksicht auf schulpflichtige Kinder). Anhand dieser Grundsätze wird dann der „Urlaubsplan“ aufgestellt. In ihm wird die zeitliche Reihenfolge des Urlaubs der einzelnen Arbeitnehmer festgelegt.

Nr. 6 Technische Überwachungseinrichtungen:

Entscheidend ist, ob die technischen Einrichtungen geeignet sind (also nicht nur, wenn sie dazu bestimmt sind), Leistungen und Verhalten der Arbeitnehmer zu überwachen. Mitbestimmungspflichtig sind u. a. die Einführung von Stechuhren sowie Telefon- und Videoüberwachung.

Nicht mitbestimmungspflichtig nach Nr. 6 sind – weil keine technischen Geräte – Anwesenheitslisten, Tätigkeitsberichte sowie technischen Einrichtungen, die allein für eine Kontrolle von Maschinen in Betracht kommen, u. a. Druckmesser, Drehzahlenmesser.

Da dieser Punkt dem Schutz der Arbeitnehmer dient, hat der Betriebsrat kein Initiativrecht. Er kann also nicht die Einführung einer technischen Kontrolle beschließen und muss auch nicht der Abschaffung einer solchen zustimmen.

Nr. 7 Gesundheits- und Arbeitsschutz:

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezieht sich auf die Durchführung der Regelungen des gesetzlichen Unfallschutzes und der Unfallverhütungsvorschriften. Je unbestimmter dabei eine Regelung ist, desto weiter reicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. So hat der Betriebsrat im Bereich der Gefährdungsanalyse nach dem Arbeitsschutzgesetz mitzubestimmen. Aber auch Regelungen zur Verhinderung von Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen fallen hierunter.

Nr. 8 Sozialeinrichtungen:

Der Betriebsrat bestimmt Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen. Nicht jedoch die Frage, ob der Arbeitgeber solche Einrichtungen überhaupt zur Verfügung stellt. Diese Entscheidung des Arbeitgebers ist freiwillig und nicht mitbestimmungspflichtig.

Typische Sozialeinrichtungen sind u. a. Werkskantinen, Betriebskindergärten, Sporteinrichtungen und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung.

Nr. 9 Werkswohnungen:

Ist der Arbeitgeber Vermieter oder Eigentümer einer Werksmietwohnung und kann damit entscheiden, wem die Wohnung zugewiesen wird, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. „Zuweisung“ bedeutet dabei die Entscheidung über den Mieter. Der Abschluss des Mietvertrags und auch sein Inhalt sind dagegen mitbestimmungsfrei.

Nr. 10 Betriebliche Lohngestaltung:

Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auf die Aufstellung allgemeiner Regelungen zur betrieblichen Lohngestaltung (Entlohnungsgrundsätze). Dazu zählt z.B. die Entscheidung, ob leistungs- oder zeitbezogen vergütet werden soll (Akkordlohn, Prämien, Sonderzulagen). Damit ist aber noch nicht Schluss. Die Mitbestimmung bezieht sich auch auf die Feststellung, wie die gewählte Art der Entlohnung durchgeführt werden soll (z.B. Punktesystem, Geldakkord). Mit „Lohn“ sind alle vermögenswerten Leistungen des Arbeitgebers gemeint (Arbeitsentgelt, Provisionen, Zulagen, Darlehen).

Wichtig: § 87 Nr. 10 erfasst nur die Entgeltgestaltung, nicht die Entgelthöhe!

Nr. 11 Leistungsbezogenes Entgelt:

Die Nummer 11 ergänzt die Nummer 10 des Paragrafen, indem er die Festsetzung der Akkord- und Prämiensätzen und vergleichbarer leistungsbezogener Vergütungen mitbestimmungspflichtig macht. Der Betriebsrat bestimmt hier über alle Bezugsgrößen die der Berechnung von Geld- oder Zeitakkord zugrunde gelegt werden mit (Vorgabezeit, Bezugsleistung, Normalleistung).

Nr. 12 Betriebliche Vorschlagswesen:

Hierunter fallen alle Methoden, durch die Arbeitnehmer zu sog. Verbesserungsvorschlägen, also zu Anregungen für die Erleichterung, Vereinfachung und Beschleunigung der Arbeit, angeregt werden sollen. Der Betriebsrat bestimmt hier über die Prämiengrundsätze mit.

Nicht dazu zählen die Festsetzung der konkreten Prämie und die Entscheidung, ob ein Verbesserungsvorschlag überhaupt umgesetzt wird.

Nr. 13 Gruppenarbeit:

Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung der Grundsätze für Arbeitsgruppen.

Ob der Arbeitgeber hingegen Gruppenarbeit einführt, ist mitbestimmungsfrei. Sie sollen verhindern, dass einzelne Mitglieder der Gruppe benachteiligt werden und jedes Mitglied ausreichend beschäftigt werden kann.